12 Schlüsselfiguren der Basler Filmszene
Wen meint man, wenn man von der Basler Filmszene spricht? Allein der Lobbyverein balimage zählt mehr als 100 Mitglieder. Wir präsentieren 12 Köpfe, die der Basler Filmszene ein Gesicht geben. Durch Klicken auf die Porträtbilder erfahren Sie mehr über die Filmschaffenden.
Wer hier Arthur Cohn erwartet, wird enttäuscht. Warum? Den Grand Old Man zählen wir nicht zur Basler Filmszene,
weil er nicht wirklich integriert zu sein scheint. Der 88-jährige Produzent hat mehrere Oscars gewonnen, noch viel
mehr Hollywood-Schauspielerinnen seinen Schmus aufgedrückt und das gerne von einer hiesigen Lokalzeitung dokumentieren
lassen. Cohn spielt in seiner eigenen Liga.
Auch nicht zur Basler Szene zählen kann man Bernhard Burgener. Er lebt zwar in der Region, orientiert sich aber mit dem Medienunternehmen Highlight Communications international, sei es mit dem Handel von Fussballrechten oder mit der Übernahme der renommierten deutschen Firma Constantin Film. Burgener gründete zwar in Pratteln die Tochterfirma Constantin Film Schweiz, um so Michael Steiners «Sennentuntschi» vor einer Bruchlandung zu retten. Doch ist es still geworden um den Schweizer Ableger.
Ebenfalls erwähnenswert wäre eigentlich Marthe Keller. Doch die Schauspielerin mit Stil
hat ihre Zelte in Basel schon
vor Jahrzehnten abgebrochen. Nach Stationen in den USA, wo sie etwa mit Dustin Hoffman in «Marathon Man» spielte,
lebt sie heute in Paris.
Wir widmen dem Filmplatz Basel und seiner Förderung eine Reihe, die Sie im Dossier oder unter den folgenden Links finden:
- Cutten Sie den Brain Drain der Basler Filmszene, werte Grossräte!
- Warum die Basler Filmszene mehr Gelder will
- Reden wir übers Geld – anhand eines konkreten Film-Beispiels
- Zahlenspiel: Wie die Schweizer Regionen den Film fördern
Anna Thommen
Thommens erster Dokumentarfilm «Neuland» hat voll eingeschlagen. Immer noch ist sie unterwegs, gibt Publikumsgespräche, und die Leute wollen wissen, wie es den Schülern der Basler Integrationsklasse auf der Suche nach einem Leben in der Schweiz seither ergangen ist. Für den Schweizer Filmpreis hat es nur fast gereicht, dafür für etliche andere. Inzwischen hat sich ein amerikanischer Verleih die Rechte am Film gesichert und Fortbildungsgruppen kommen nach Basel, um zu erfahren, wie man Integration vorantreibt. Das alles hat Anna Thommen mit dem Abschlussfilm ihres Studiums für Regie in Zürich erreicht. Früher war die 34-jährige Baselbieterin Primarlehrerin, vor «Neuland» sind bereits einige andere Filme entstanden, etwa »Second Me» (2008), der einen Mann begleitet, dessen soziales Leben ausschliesslich über das Internet stattfindet, oder «Ein Stück Wahnsinn» (2013), der eine Theatergruppe mit psychisch kranken Menschen zeigt. Ihr nächstes Projekt, sagt sie, wird ein fiktiver Film. (kim)
Gregor Brändli
«Ich sehe mich in erster Linie als Handwerker oder als Dienstleister», sagt Gregor Brändli (*1986), Träger des Basler Kulturförderpreises 2013. Er ist gelernter Fotograf, hat sich aber auch als Filmallrounder einen Namen gemacht. Brändli dreht Musikvideos (u. a. für James Gruntz oder The bianca Story) oder längere Musikfilme («History Sugar Dream» mit dem Jazz-Trio Rusconi). Er steht bei Spielfilmen hinter der Kamera, die er zum Teil auch selber schneidet. Er schreibt Texte für Produktionen der freien Theatergruppe «Glück», in denen er auch auf der Bühne steht. Und er dreht Werbeclips, um sein Einmann-Unternehmen über Wasser zu halten, wie er sagt. Die Jury des Basler Kulturförderpreises würdigte Brändli «als vielseitig talentierte und leidenschaftlich engagierte Künstlerpersönlichkeit», die «viele Basler Kulturschaffende mit qualitativ hochwertigen Fotografien, Filmen und Videoclips unterstützt, selber jedoch nie im Vordergrund erscheint». (spi)
Vadim Jendreyko
Vadim Jendreyko gehört zu jenen Baslern, die mit ihrer Firma nach Zürich übersiedeln mussten, um an die bedeutend höheren und immens wichtigen Fördergelder heranzukommen. Mira Film heisst das Unternehmen, das der Basler Jendreyko mit dem Bündner Hercli Bundi im Jahr 2002 gegründet hat. Zuvor schon realisierte er Filme fürs Kino und Fernsehen. Seine bekannteste Arbeit erschien 2009: «Die Frau mit den 5 Elefanten». Darin begleitet er die Übersetzerin Swetlana Geier in ihre alte Heimat, die Ukraine. Jendreyko zeichnete für Buch und Regie verantwortlich und konnte zahlreiche Preise entgegennehmen, unter anderem den Schweizer Filmpreis 2010 oder den Prix Italia für den besten Dokumentarfilm in der Sparte «cultural and general interest». (mac)
Reinhard Manz
Es sind wunderbare filmische Zeitzeugnisse aus einer Zeit, lange bevor es Lokalfernsehen gab: 1981 zum Beispiel, als die jungen Männer, die sich 1979 zur Videogenossenschaft Basel zusammengeschlossen hatten, loszogen, um eine Dokumentation über die polizeiliche Räumung des AJZ auf Video zu bannen, oder 1984, als sie festhielten, wie Joseph Beuys an die Landesgrenze in Riehen reiste, um dabei zu sein, als der Sprayer Harald Nägeli an die Schweiz ausgeliefert wurde. Einer der Mitgründer der Videogenossenschaft und zusammen mit Claude Gaçon Mitautor sowie -produzent der genannten Filme war der Videopionier Reinhard Manz (*1951). Heute ist er Geschäftsleiter der Filmproduktionsfirma Point de Vue, die aus der Genossenschaft hervorgegangen ist. Zusammen mit René Pulfer rief er 1984 die internationalen Videowochen im Wenkenpark ins Leben und war er Dozent der ersten Stunde an der 1979 gegründeten legendären Videofachklasse an der Schule für Gestaltung, die so bedeutende Videokünstlerinnen hervorgebracht hat wie Pipilotti Rist. (spi)
Hanspeter Giuliani
Das Projektarchiv der Firma Tweaklab, die Hanspeter Giuliani 2000 in Basel gegründet hat,
ist ziemlich endlos. Wenn es darum geht, eine Ausstellung technisch umzusetzen,
die elektronischen Medien dafür bereitzustellen oder die Postproduktion eines Films zu erledigen,
hat die Firma mit seinen inzwischen 20 Mitarbeitern im Zweifelsfall die Finger drin.
Zum Beispiel hat sie in und um die Gaugin-Ausstellung in der Fondation Beyeler die Displays
und Projektionen entworfen. Für das Landesmuseum Zürich hat sie eine fünfteilige Repo über
die Schlacht von Marignano übernommen. An der Art Unlimited ist Tweaklab für die Koordination
der Medienprojekte zuständig. Bei der Paul-Chan-Schau im Schaulager hat Tweaklab im Hintergrund
gewerkelt. Und so weiter. Kinofilm ist auch dabei, zum Beispiel hat die Firma an der Postproduktion
von Vadim Jendreykos «Die Frau mit den 5 Elefanten» mitgearbeitet.
Giuliani selbst, geborener Zürcher, hat ziemlich alles gemacht: Lehre als Physiklaborant, Arbeit als Fotograf, freier Mitarbeiter beim Radio DRS, Kameramann, Tontechniker, Editor. (kim)
Claudio Cea
Wenn man bei Basler Filmemachern herumfragt, um wen man in Sachen Schnitt nicht herumkommt, fällt häufig Claudio Ceas Name. Nachdem der Basler an Filmschulen in Vancouver und Köln studiert hat, hat er als freischaffender Editor über 100 Magazinbeiträge für SRF geschnitten. Seit 10 Jahren schneidet er Kinofilme, Trailer und Werbefilme. Zwei der Filme, bei denen er in den letzten Jahren dabei war, waren für den Schweizer Filmpreis nominiert: «Der Sandmann» von Peter Luisi (2011), in dem Fabian Krüger damit zu kämpfen hat, dass Sand aus seinem Körper rieselt, und «ThuleTuvalu», einem Dokumentarfilm von Matthias von Gunten (2014), der an zwei völlig verschiedenen Orten der Welt die Folgen des Klimawandels zeigt. Ausserdem hat er an «Der Vampir auf der Couch» von David Rühm mitgearbeitet, der zurzeit in Österreich für drei Romys nominiert ist. Wenn Cea nicht in Basel ist, lebt er in Toronto. (kim)
Lena Maria Thüring
Die Videokünstlerin Lena Maria Thüring hat ihre Arbeiten neben vielen Orten in der Schweiz inzwischen schon in den USA, in Spanien, Frankreich und Deutschland ausgestellt. Für die 33-jährige Baslerin, die in Zürich lebt, ging es im Jahr 2008 los, als sie den Swiss Art Award gewann. Seitdem ist sie gefragt, Einzelausstellugen und weitere Preise folgten. Ihre Arbeit zielt ganz offen auf soziale Konflikte. In «Kreide fressen», einer Installation aus drei Videoschirmen, erzählen Schauspieler die Geschichte eines Mannes, der als Kind missbraucht wurde. Die Arbeit «Im Garten» zeigt die Ränkeleien zwischen Nachbarn. In «Der grosse Bruder, der Bruder, die Schwester, die kleine Schwester» sprechen vier Personen über ihre Herkunft aus zerrütteten Familien. (kim)
Pascal Trächslin
Er ist der grosse Lobbyist, der sich seit vielen Jahren für eine Stärkung der Basler Filmszene einsetzt: Pascal Trächslin. Sein Studium an der Uni Fribourg schloss er 1992 mit einer Arbeit über «Methoden des Dokumentarischen Filmschaffens» ab. Nach Stationen als Filmjournalist und Vorstandsmitglied von Le Bon Film führte er bei der Fama Film AG in Zürich den Filmverleih. 2003 rief er in Basel die cineworx gmbh ins Leben, die internationale Filme in die Schweiz holt. Seinen grössten Coup als Verleiher landete Trächslin vor knapp vier Jahren, als er sich die Schweizer Rechte für «Searching for Sugar Man» sicherte. Der Dokumentarfilm des schwedischen Regisseurs Malik Bendjelloul begibt sich auf die Spurensuche des totgeglaubten Singer-Songwriters Sixto Rodriguez. Ein grossartiger Film mit grossartiger Musik, der 2013 den Oscar für den besten Dokumentarfilm einheimste. Seit 2004 setzt Trächslin auch Filmprojekte um: die cineworx filmproduktion, die zuletzt mit «El Tiempo Nublado» für Aufsehen sorgte: Das Debüt von Arami Ullon wurde am Dokfilmfestival Vision du Réel in Nyon mit dem «Regard Neuf» ausgezeichnet. (mac)
Patrick Becker
Patrick Becker hat seine Aufnahmezelle in einem herrlichen Atelier auf dem Bollag-Areal eingerichtet. Zwar zahlen die Mieter dort wenig, aber schlecht geht es ihm nicht. Das, obwohl er auf eine Adresse in Zürich verzichtet, die ihm mehr Aufträge einbringen würde. Denn so ist er darauf angewiesen, dass die Zürcher Produzenten, seine wichtigsten Arbeitgeber, auch etwas Geld für einen Toningenieur ausgeben dürfen, der nicht dort ansässig ist. Basel als Arbeitsort will er nicht missen, und umso mehr würde er einer Aufstockung des Filmbudgets entgegensehen – verbunden mit dem Fragezeichen, wohin das Geld fliessen soll. Becker plädiert für eine Unterstützung ganz unterschiedlicher Projekte, namentlich auch der kleinen und experimentellen. Er selbst ist ein Vorbild in Sachen Vielfalt: Ursprünglich hat er sich als Kameramann versucht, dann jedoch in die Tonaufnahme und Postproduktion gewechselt (einer der wenigen, die beides machen). Neben Dokumentar- und fiktiven Filmen macht er Kunstarbeiten mit seiner Frau Stefanie Grubenmann, arbeitet als Bühnenbildner und macht Ton für Werbung. Mit dabei: «Grounding – die letzten Tage der Swissair» (2006), sowie der Fernsehfilm «Wir von da oben» von Rita Ziegler (2013), der den Wandel einer Bauernfamilie dokumentiert. 2009 machte Becker den Ton für «Nel Giardino Dei Suoni» von Nicola Bellucci, einem Dokumentarfilm über einen blinden Musiker, Therapeuten und Klangforscher. (kim)
Giacun Caduff
In Hollywood nannten sie ihn «Mister Duracell», weil er ständig in Bewegung ist: Giacun Caduff. Er ist einer der Umtriebigsten in der Basler Filmszene. Ein Wirbelwind, der das Gässli Film Festival ins Leben gerufen hat, ebenso das Autokino in Pratteln, das Cinema Drive-In. Caduff hat zudem soeben ein Movie Camp geleitet. Und am 1. April die ganze Schweiz zum Narren gehalten, als er via Facebook die Meldung publik machte, dass einer seiner Schauspielfreunde, Manuel Miglioretto, eine Nebenrolle in einem Hollywoodfilm erhalten sollte. Ein Aprilscherz, auf den sogar die altehrwürdige Schweizer Depeschenagentur hereinfiel. Caduff wollte auf diese unkonventionelle Weise auf die Teleclub-Premiere seines ersten Langfilms aufmerksam machen: «20 Regeln für Sylvie», mit Carlos Leal in der Hauptrolle. Caduff, Jahrgang 1979, gehört einer neuen Generation von Filmemachern an, die ihr Handwerk in den USA gelernt haben. Nach seiner Ausbildung als Filmer an der California State University in Long Beach sicherte er sich ein Praktikum bei John Malkovich und lernte schliesslich in Los Angeles Hollywood aus nächster Nähe kennen. (mac)
Niki Reiser
Er gilt als erfolgreichster Filmmusikkomponist der Schweiz: Niki Reiser. Nach seinem Flöten-Studium am hiesigen Konservatorium bildete er sich am Bostoner Berklee in Filmmusik und Komposition weiter. 1986 kehrte Reiser nach Basel zurück, traf auf den Regisseur Dani Levy. Die beiden begründeten eine Zusammenarbeit, die fruchtbar war und bis heute andauert. In seinem Studio im Gundeldingerfeld hat Reiser auch die Soundtracks zu Filmen von Caroline Link («Nirgendwo in Afrika») geschrieben, für die er mit zahlreichen Preisen geehrt worden ist. Reiser (56) arbeitet aktuell an der Neuverfilmung von «Heidi» (Regie: Alain Gsponer). (mac)
Frank Matter
Geboren 1964 in Sissach, sozialisiert in den bewegten 80er-Jahren (etwa in der Stadtgärtnerei Basel), ausgewandert 1993: Frank Matter zog es mit 29 Jahren in die USA; in Brooklyn hielt er sich mehrheitlich mit Aufträgen für Schweizer Zeitungen über Wasser und tauchte daneben in die Independent-Filmszene ein. 13 Jahre lebte er in New York, sammelte als Tonmann, Produktionsassistent und Regisseur Erfahrungen, ehe er 2006 nach Basel zurückkehrte. Hier hat er sich am Ostquai niedergelassen und die soap factory GmbH gegründet. Mit dem Film «Nel Giardino Dei Suoni» verbuchte er 2010 als Produzent einen beachtlichen Erfolg, 2013 folgte der Dokumentarfilm «Von heute auf morgen», bei dem er Regie führte und einfühlsam den Alltag der Spitex Allschwil schilderte. Der Film wurde zuerst an den Solothurner Filmtagen, danach in der ganzen Schweiz gefeiert. (mac)