Quartierentwicklung

Die Welt der Längianer
von Simone Janz

Der Bund nannte es ein Wohn­gebiet mit besonderen Anforderungen. Die Wissenschaft ein Exempel für die soziale Katastrophe der Plattensiedlung. Die Medien tauften es Ghetto, Slum, Banlieue. In der Längi an der nordöstlichsten Ecke der ­Gemeinde Pratteln quartierte die Industrie seit den 1950er-Jahren ihre ausländischen Arbeiter ein. Waren die frühen «Korea»-Häuser gefüllt, kamen neue Wohnblocks dazu.

Bald kamen auch die Probleme – und mit ihnen die Negativ-Schlagzeilen, die den Ruf des Viertels prägten. Die Meldungen aus der Prattler Längi festigten jahrzehntelang das Bild eines gescheiterten Gemeinwesens: Entführung auf offener Strasse an einem Sonntagnachmittag. Tankstellenraub. Gewalt zwischen Jugendgangs. Schiessereien.

Die Zuschreibungen von aussen sind zahlreich. Kaum zu Wort kommen dabei die Längianer selbst. Längianer, so nennen sich die Bewohner des Quartiers: knapp 2500 Menschen aus 58 Nationen auf 14 Hektaren.

Ein Container als Quartiertreff

Antreffen kann man sie zum Beispiel in einem Container, der im Quartier steht. Im Container – die Gemeinde und die Freiwilligen bestehen vergeblich auf der Bezeichnung «Quartiertreff» – trifft sich jeden Freitagabend eine Tanzgruppe für Frauen. So auch heute. Als ich näher komme, höre ich den Zumba-Klassiker schlechthin, den brasilianischen Chartserfolg «Ai se eu te pego», gepaart mit Gelächter und Instruktionsanweisungen.

Der Quartiertreff steht seit eineinhalb Jahren sinnbildlich für die Entwicklung, in der sich die Längi befindet. Entstanden ist er nämlich im Rahmen eines gross ­angelegten Förderprogramms des Bundes – der «Projets urbains».

«Ein Wohngebiet mit besonderen Anforderungen», das ist die Längi gemäss der bürokratischen Formulierung aus einer Studie des Bundes von 2007. Aufgrund ihrer räumlichen, sozialen und ökonomischen Situation erschien die Gemeinde als ideale Teilnehmerin von «Projets urbains – Gesellschaftliche Integration in Wohngebieten». Das Programm war vom Bundesrat als Integrationsmassnahme für kleine und mittelgrosse Städte und Agglomerationsgemeinden beschlossen worden und startete im Jahr 2008.


Teilgenommen haben während der achtjährigen Projektphase bis 2015 insgesamt 16 Gemeinden aus der Deutschschweiz und der Romandie – alle mit dem Ziel, durch Teilprojekte die Lebensqualität in einzelnen, ausgewählten Quartieren zu verbessern.

Eines dieser Projekte ist der Container. Heute probt hier eine Frauentanzgruppe. Bald steht ein Auftritt an. Am Dankes-Event, den die Gemeinde Pratteln für ihre ehrenamtlichen Quartierhelferinnen und -helfer organisiert, sorgen die Frauen für eine kleine Showeinlage. «Sonst tanzen wir einfach zum Spass und aus Freude am Frausein», erzählt Olga, die mit 74 Jahren mit Abstand die älteste der Gruppe ist. Auch sie habe sich früher aktiv für die Längi eingesetzt, sagt sie. Aber heute, in ihrem Alter, gehe das nicht mehr so gut wie früher.

«Ich kann meine Kinder beruhigt draussen spielen lassen, irgendjemand hat immer ein Auge auf sie.»

«Das ist etwas, das wir nur für uns machen. Für unsere Gesundheit und für den Zusammenhalt im Quartier», sagt die Marokkanerin Rabia. Sie und ihre Kollegin Sarah aus Deutschland sind die Organisatorinnen des «Frauentanz» und walten heute bei der Probe als Choreografinnen der Gruppe. Rabia und Sarah engagieren sich auch sonst im Quartiertreff und haben als Teil der sogenannten Betriebsgruppe, die die Angebote im Quartiertreff koordiniert, verschiedene Angebote ins Leben gerufen.

So dient der Raum nicht nur als Tanzstudio, sondern ist gleichzeitig Schulzimmer für Nachhilfe-Unterricht oder Wohnzimmer für den Familientreff. Am Wochenende kann er ausserdem als Partyraum gemietet werden. Multifunktional, für alle Bedürfnisse verwendbar muss er sein.


Weshalb hat es nicht für einen richtigen Bau gereicht? «Man hat uns gesagt, das sei lediglich ein Provisorium. Mit dem Salina-Raurica-Projekt wird sich hier noch einiges verändern», sagt Rabia. Salina Raurica, für dieses Gebiet bestehen schon lange Entwicklungspläne. Es sollen Wohnungen entstehen, ein Bahnhof wurde gebaut, auch die Tramlinie 14 soll verlängert werden. Davon wird auch die Längi profitieren.

Doch das Projekt zieht sich schon seit Ewigkeiten hin, ein Abschluss ist nicht absehbar. Der Container dürfte noch eine Weile als Provisorium dienen.

 

 

 

 

 

 

Abfall, Hochhäuser, menschenleer

Die Längi wirkt auf den ersten Blick wenig einladend.

Immer noch ein Problemquartier?

Auch die Vorurteile gegen die Längi halten sich hartnäckig. Hört man sich aber unter den langjährigen Bewohnern um, so sind sich die meisten einig: Es ist im Laufe der Jahre besser geworden. Und auch damals sei die Suppe immer heisser gekocht als gegessen worden, finden sie. Im Umgang mit den Medien zeigt sich die Quartierbevölkerung deshalb zurückhaltend bis verschlossen.

«Hee, nicht filmen», rufen mir die Kinder auf meinen Streifzügen durchs Quartier zu. Gehe ich den Häuserblöcken entlang, wird laut gegen die Fenster gepoltert. Ich solle hier besser nicht drehen, rät man mir freundlich, die Leute würden das nicht so mögen. Ich fühle mich anfangs wie ein Eindringling.

Die Längi ist gefährlich. Ein Ghetto, wo jugendliche Banden ihr kriminelles Unwesen treiben. So lautet der Tenor aus den umliegenden Gemeinden auch heute noch.

Wer den Schweizer Pass hat — und wer nicht (in Prozent)

Ausländeranteil
Quelle: Statistisches Amt Baselland/Gemeinde Pratteln


Darüber kann Rabia nur lachen. Sie ist vor fünf Jahren mit ihrem Mann und den beiden Söhnen von Zunzgen nach Pratteln in die Längi gezogen. «Gefährlich ist es hier nicht. Uns ist noch nie etwas passiert.» Im Gegenteil: «Ich kann meine Kinder ganz beruhigt draussen spielen lassen, irgendjemand hat immer ein Auge auf sie.»

Andrea Sulzer ist Abteilungsleiterin Bildung/Freizeit/Kultur bei der Gemeinde Pratteln und unter anderem verantwortlich für die Quartierarbeit. Sie erzählt, früher seien Kinder bis spät nachts unbeaufsichtigt draussen gewesen. Ausserdem habe eine Hackordnung geherrscht, also eine Hierarchie zwischen den älteren und jüngeren Kindern – diese sei auch heute noch verbreitet. Deswegen sei aufsuchende Quartierarbeit wichtig: vor Ort sein, mit den Leuten reden und dann Strukturen und Sicherheit schaffen. «Die Massnahmen in diesem Bereich haben dazu geführt, dass sich die Situation gebessert hat», sagt Sulzer.

«Hee, nicht filmen», rufen mir die Kinder zu. Gehe ich den Häusern entlang, wird gegen die Fenster gepoltert.

Die Aufwertung des Wohnumfeldes, also der Orte im Quartier, wo sich die Bewohner treffen und austauschen können, war ein weiteres Teilprojekt im Rahmen des «Projet urbain». Viele der Spielplätze waren beschädigt – und sind es teilweise heute wieder.

Bei einem der beliebtesten Quartier-Treffpunkte, dem Schulhausplatz, stosse ich auf ein paar Jugendliche. Ich frage, ob sie von hier seien. «Ich nicht, ich wohne in Pratteln», antwortet einer. Pratteln und die Längi, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Alle, mit denen ich spreche, sehen das Quartier als eigenes kleines Dorf.

Ein Blick auf die geografische Lage macht klar, weshalb das so ist. Zweieinhalb Kilometer liegt die Längi vom Prattler Dorfkern entfernt. Zu Fuss dauert der Weg quer durch Brache und Industriegebiet vorbei am Schwimmbad fast eine halbe Stunde. Mit dem 83er braucht man nur halb so lange – sofern man den Fahrplan kennt, denn die Busse verkehren im Halbstundentakt und ab 22 Uhr gar nicht mehr. Kein Wunder, spielt sich das Leben zum grössten Teil im Quartier selbst ab.

Das grün eingefärbte Quartier Längi liegt näher bei Augst als bei der Muttergemeinde Pratteln.

Zum Einkaufen geht man in den zentral gelegenen Spar an der Längistrasse. Wer zur Post muss, macht das in Augst, dem Nachbardorf, das gleich hinter der Längi beginnt. Die jüngeren Kinder spielen nicht in Pratteln Fussball, sondern – wie dereinst Xherdan Shaqiri – beim SV Augst.

Die Längi-Bewohner orientieren sich eher am nahe gelegenen Liestal oder gleich an Basel-Stadt. Auf dem Papier bleibt Pratteln aber die Mutter-Gemeinde, auch wenn die Bewohner hinter vorgehaltener Hand oftmals über eine Abspaltung und die Gründung einer eigenen Gemeinde witzeln.

Das «Projet urbain» war in diesem Sinne mehr als ein Quartierentwicklungs-Programm. Die Längi verstand es auch als Botschaft der Gemeinde, dass das Quartier und seine Probleme von der Verwaltung wahr- und ernst genommen werden.

 

 

 

 

 

 

Quartier-Café, Treffpunkt und Ort der Integration

Der örtliche Spar ist für die Längianer sehr viel mehr als nur eine Einkaufsgelegenheit.

Ein Quartier im Umbruch

Rabia nimmt mich mit zum Einkaufen. Schnell merke ich: Der Supermarkt ist für die Längi-Bevölkerung sehr viel mehr als nur eine Einkaufsgelegenheit.

An der Bar im Eingangsbereich sitzen immer Leute, trinken Kaffee, tauschen den neuesten Klatsch und Tratsch aus. Vor dem Laden wird geraucht, manchmal ein Bierchen getrunken und an der Haltestelle gleich nebenan auf den Bus gewartet. Autos fahren vor und wieder weg. Die Kinder spielen auf dem «Schueli», dem Pausenplatz, nur ein paar Meter neben dem Supermarkt.

Korea-Blöcke machten den Anfang, ein Quartierfest führt zu Engagement, ein Spielplatz sorgt für Belebung und die Erschliessung durch öffentliche Verkehrsmittel für Anbindung. Eine kurze Chronologie.

1950er-Jahre

In der Längi entstehen die ersten Wohnblocks während des Koreakrieges, weshalb diese Mehrfamilienhäuser auch «Korea-Blöcke» genannt werden.

1960er-Jahre

Die Längi entwickelt sich zu einem Dörfchen im Dorf, erhält eine eigene Schulanlage und Kindergärten.

1971

Nach dem grossen Erfolg des ersten Quartierfestes – dem «Längifest», das es bis heute gibt — wird der Quartierverein gegründet. «Er sieht seine Hauptaufgabe in der Verbesserung der infrastrukturellen Einrichtungen zur Erlangung einer höchstmöglichen Lebens- und Wohnqualität», heisst es in den Statuten.

1981

Der fertig gebaute Robinson-Spielsplatz wird der Prattler Jugend übergeben. Der Quartierverein hilft gemeinsam mit der Gemeinde bei dessen Finanzierung auf einer gemeindeeigenen Parzelle. Heute ist der «Robi» eine Gemeindeinstitution.

1982

Das Quartier wächst. Der vierte Kindergarten wird eröffnet.

1987

Die Prattler Stimmberechtigten bewilligen einen Kredit von 2,14 Millionen Franken für den «Grüngürtel Längi». Er soll das Quartier vom angrenzenden Gewerbe- und Industriegebiet trennen.

1990er-Jahre

In dieser Zeit entsteht der schlechte Ruf der Längi. Immer wieder gerät das Quartier unfreiwillig in die Schlagzeilen. Gewalttätige Konflikte und Familienfehden sind die Gründe.

2000

Der Einwohnerrat spricht sich für eine 30er-Zone im Längi-Quartier aus. Das kommt vor allem den vielen Kindern im Quartier zugute.

2001

Mit dem Fahrplanwechsel fahren die Busse nun auch nach 20 Uhr in die Längi und aus dem Quartier raus.

2008

Das «Projet urbain» geht in Pratteln mit der Längi in die erste Projektphase. Gleichzeitig wird die S-Bahn-Haltestelle «Salina Raurica» eröffnet und sorgt für eine bessere Vernetzung mit der Muttergemeinde und Basel.


Die Brüder des kosovarischen Boxers Arnold Gjergjaj betreiben die Spar-Filiale seit nunmehr drei Jahren. Fragt man nach Treffpunkten im Quartier, wird ihr Laden stets als Erstes genannt. Die Gjergjajs engagieren sich für die Längi, indem sie bei Quartierfesten helfen, Auskunft geben oder den Jugendlichen Schnupperpraktika anbieten.


Die Gemeinde setzte sowohl während des «Projet urbain» als auch heute auf die Mithilfe der Quartierbevölkerung. Organisiert hat sich diese unter anderem in einem Quartierverein und in der Betriebsgruppe, die den Quartierbüro-Container verwaltet.

Der Quartierverein Längi existiert bereits seit 1971 und wurde im Rahmen des «Projet urbain» 2013 neu aufgegleist. Seine Aufgabe ist die Organisation von Quartierfesten wie das «Längifest».

«Wenn du hier jemanden fragst, woher er kommt, nennt er die Längi und nicht seine Nationalität.»

Die Betriebsgruppe hingegen ist verantwortlich für das Quartierbüro und die darin stattfindenden Angebote. Die beiden Gruppen arbeiten zwar zusammen, sind aber unabhängig voneinander organisiert.

Bei der Gemeinde ist Nadia Saccavino zuständig für die Quartierarbeit vor Ort. Sie fungiert als Bindeglied zwischen Verwaltung und Quartierbevölkerung. «Die Aufgabe der Gemeinde ist die Begleitung der Freiwilligen. Wir unterstützen sie fachlich und machen Werbung für ihre Angebote im Quartier.»

«Das zentrale Anliegen ist der Einbezug aller Betroffenen, insbesondere auch der Bewohnerinnen und Bewohner. Diese tragen dazu bei, ihr Wohnumfeld zu formen.» So schreiben es die beteiligten Bundesämter im Erfahrungsbericht zur Quartierentwicklung aus dem Programm «Projets urbains». Klar ist: Die Verantwortlichen setzen Engagement und Interesse der Quartierbevölkerung voraus.

 

 

 

 

 

 

Die Längi ist kein Ort, sondern eine Herkunft.

Die Bewohner identifizieren sich stärker mit ihrem Quartier als mit ihrer Nationalität.

Wie funktioniert hier Integration?

Auf dem Weg zum «Robi», dem Robinsonspielplatz, wohin mich Rabias achtjähriger Sohn Ali mitnimmt, treffen wir auf seine Freundin. Welche Sprachen ich spreche, will sie als Erstes wissen. Als ich ihr erzähle, dass ich daheim Schweizerdeutsch rede, sieht sie mich entgeistert an. Sie spreche Albanisch mit ihrer Familie und Deutsch in der Schule und mit Freunden. Letzteres mit deutlichem Akzent und einigen grammatikalischen Besonderheiten, wie viele Kinder in der Längi.

«Meine Mutter ist Marokkanerin und mein Vater Türke», sagt Ali nur, als ich ihn frage, woher er denn komme. Arabisch verstehe er, antworte aber meistens auf Deutsch, lacht seine Mutter. Türkisch hat der Achtjährige nicht gelernt. Sein Vater fand damals, dass seine Kinder mit noch einer zusätzlichen Sprache überfordert sein könnten.

Von Ziegelmüllers Jugendlichen hat es nur einer ins Gymi geschafft. Dabei hätten einige das Zeug zu studieren.

58 Nationen leben in der Längi, fast genauso viele Sprachen werden hier gesprochen und sehr viele unterschiedliche Kulturen gelebt. Zusammenleben und Integration sind deshalb zentrale Themen. Vor allem die Integration, die sich wiederum auf das Zusammenleben auswirkt, ist ein erklärtes Ziel für ein «Projet urbain».

Die Leute müssten sich zuerst im eigenen Kulturkreis wohlfühlen, bevor Integration möglich werde, erklärt die Fachverantwortliche für Quartierarbeit Nadia Saccavino.

Integration finde besonders auch in der Schule und am Arbeitsplatz statt, sagt Martin Bürgin, Integrationsbeauftragter des Kantons Baselland. «Engagierte Lehrerinnen und Arbeitgeber leisten täglich sehr wichtige und wertvolle Integrationsarbeit. Das darf man nicht vergessen.»


Ein anderes Ziel des «Projet urbain» ist erreicht, ohne dass die Gemeinde viel dafür hätte tun müssen: Die Bewohner identifizieren sich stark mit ihrem Quartier. Vor allem für die Jugendlichen sei die Längi Teil ihrer Identität. «Wenn du hier jemanden fragst, woher er kommt, nennt er die Längi und nicht seine Nationalität», erzählt mir Gabrielle Ziegelmüller.

Die mobile Jugendarbeiterin ist in ganz Pratteln bekannt und kennt «ihre Kids» gut. «Die Jugendlichen sind stolz darauf in der Längi zu wohnen. Sie wollen sich durch ihr Aussehen und ihre Sprache abheben und bezeichnen sich selbst als Ghetto-Kids», sagt sie.

Und es ist nicht einfach, die Kids aus dem Ghetto zu holen. Nur einer von Ziegelmüllers Jugendlichen hat den Sprung auf das Gymnasium geschafft. Sonst besuchen ihre Schützlinge häufig die Sekundarstufe Niveau A – im Kanton Baselland die niedrigste von drei Stufen.

«Dabei könnten einige von ihnen locker studieren», ist Ziegelmüller überzeugt. Doch es fehle an der nötigen Förderung. Der kulturelle Spagat, den die Kinder und Jugendlichen ständig zwischen zwei Welten machen müssten, sei herausfordernd. Zu Hause wird die Mentalität ihres jeweiligen Kulturkreises gelebt, ausserhalb des Familienumfeldes sei Anpassung an die Schweizer Kultur gefordert.

 

 

 

 

 

 

Es geht aufwärts mit der Längi, aber was kommt jetzt?

Das «Projet urbain» ist Geschichte, die Zukunft des Quartiers wird von Längianern selbst geschrieben.

Wie weiter?

An einem Freitagmorgen bin ich zu Gast bei Olga Aeberhard, die ich vom «Frauentanz» im Quartiertreff kenne. Ihre Bibelgruppe trifft sich heute bei ihr, um Gebete für die Längi zu sprechen.

Insbesondere die Quartierkinder sind im Fokus. Im Esszimmer der Aeberhards sitzen Trudy, Daniel und Olga mit einer Bibel. Jedes Haus in der Längi solle gesegnet werden, beten die drei Christen. Olga bedankt sich für den «Frauentanz» und die beiden Initiatorinnen Rabia und Sarah. Trudy und Daniel – er ist für die Freikirche Chrischona als Quartierpfarrer in der Längi tätig – wollen, dass «die jungen Burschen in der Pubertätszeit nicht in Drogen absinken», bedanken sich für «die Möglichkeit, dass Sport verbindet», und wünschen sich mehr Verständnis füreinander und Freundschaften, die Kulturen verbinden.

Nach dem Ende von «Projet urbain» liegt die Verantwortung für die Weiterentwicklung der Längi in den Händen der Bewohner.

Seit 2015 ist das «Projet urbain» nun Geschichte. Und mit ihm die finanzielle Unterstützung durch Kanton und Bund. Die Gemeinde Pratteln schreibt auf ihrer Internetseite: «In Zukunft liegt der Schwerpunkt bei der Quartierarbeit vor Ort.» Damit legt sie einige Verantwortung in die Hände der Quartierbevölkerung. Denn: Quartierentwicklung kann seit der Beendigung des «Projet urbain» nicht mehr im selben Masse durchgeführt werden wie während der Projektphase.

Pratteln hat weniger Geld für aufsuchende Sozialarbeit, die vor allem für die soziale Kontrolle wichtig wäre. Mit weniger Stellenprozenten die gleiche Arbeit zu verrichten, sei nun mal nicht möglich, sagt Marcel Schaub, der das Projekt damals geleitet hatte. Andrea Sulzer stellt bereits wieder negative Tendenzen fest: «Es wird wieder vermehrt Littering betrieben. Ausserdem gibt es wieder mehr Konflikte.»

Die Längi bleibt ein Wohngebiet mit besonderen Anforderungen.